XL – 40 Jahre Kunsthaus Essen // Ateliergespräch Stephan von Knobloch (2017)

Ich bin Zeichner. Lange Zeit war Zeichnen für mich gebunden an die Wahrnehmung, Vorstellung und Darstellung gegenständlicher Welt. Ich folgte dem gegenständlichen Impuls. Linie, Kontur und Gestalt bestimmten meine Bilder.
Mit der Zeit wurden meine Bilder dunkler, das Schwarz breitete sich aus, verdichtete sich zu satter Tiefe. Das Graphit als Material des Zeichnens bekam Bedeutung über seine bloß darstellende Funktion hinaus und trat in seiner stoffliche Präsenz hervor. Seitdem interessieren mich zunehmend die materielle Beschaffenheit des Graphits selbst und seine Behandlungs- und Erscheinungsmöglichkeiten im Bild.
Ich pulverisiere das Graphit, überschütte den Zeichengrund damit, bürste es auf, bearbeite es vielfältig, radiere und poliere es. Gegenständlichkeit ist damit obsolet geworden. Es entstehen geometrische Flächen, die sich überlagern und durchdringen. Schwärze, Tiefe und Glanz des Graphits verdichten und vertiefen sich von lichter Transparenz zu dunkler Undurchsichtigkeit. Mit zunehmender Dichte und Tiefe der lichtgrauen bis tiefschwarzen Flächen steigert sich deren Oberflächenglanz und schafft ein subtiles, lebendiges Wechselspiel zwischen Bildfläche, Betrachterstandpunkt und Raumlicht. Das Ergebnis sind Abstufungen monochromer Farbflächen, die konstruktiv wirken, doch intuitiv entstehen. Es stellt sich die Frage, ob die Arbeiten noch Zeichnungen sind.
In weiteren Versuchen binde ich das Graphitpulver. Wachs und Harz geben ihm Körper, es wird zur schwarzen Paste mit fast plastischen Eigenschaften. Es entstehen kleinformatige Bilder mit festen, dichten, aus breit gespachtelten Bahnen gefügten konstruktiven Formationen. Die intuitive Suche nach der Form dominiert den Arbeitsprozess.
Aber auch der „gegenständliche Impuls“ bleibt wirksam. In einer Folge großformatiger Arbeiten „Piroge/Arche“ wird rohe Körperlichkeit durch Fragmentierung gebrochen. Bis zu tiefer Schwärze verdichtete Zeichnung und ausgebreitete Leere kommunizieren miteinander. Skulpturale Form und graphitgesättigte Stofflichkeit schaffen Bilder mit archaisch anmutender Wucht.

(Text: Stephan von Knobloch)