Ausstellungsarchiv

Ein Platz in der Welt mit Arbeiten von…

Sebastian Eggler, Laetitia Eskens, Saskia Fischer, Veit Hüter, Pio Rahner

Ausstellungsdauer: 11.06. – 23.07.2017

Die Ausstellung führt fünf Künstlerinnen und Künstler zusammen, die ihre Ausbildung an der Folkwang Universität der Künste im Bereich Fotografie erhalten haben. Gezeigt werden Arbeiten, die, ausgehend von einem fotografischen Blick auf die Wirklichkeit, den reinen Fotografiebereich verlassen und ergänzend dazu Möglichkeiten der Installation, der skulpturalen Raumintervention und der performativen Wirklichkeitsbefragung künstlerisch ausloten. Die künstlerische Aufmerksamkeit löst sich dabei allerdings nur scheinbar von fotografisch geprägten Handlungsfeldern. Die ausgestellten Arbeiten findet vielmehr zurück zu einer medialen Selbstreflexion, die die Fotografie im Hinblick auf ihre Ursprünge, auf ihre Materialien, gewissermaßen den Rohstoff, aus dem Fotografien hergestellt werden, und ihre Prozesshaftigkeit befragt.

Sebastian Eggler

Für Sebastian Eggler vermittelt sich die Wirklichkeit über Bilder. Seine Arbeit beschäftigt sich mit der Bildwelt von Werbeplakaten im öffentlichen Raum. Werbung verkörpert eine idealisierte Welt, eine unerreichbare und doch prägende Hyperrealität. Egglers Fotografien reflektieren diese Perfektion, allerdings auch deren Brechungen und Ambivalenz. Sie zeigen die idealtypische Werbewelt in fragmentierten Ausschnitten. Sie lenken den Blick auf Silhouettenformen, auf Hals-, Arm- und Körperrundungen, auf den Mund, die Lippen, auf stereotype Gesten und Haltungen, um damit ein Bildvokabular zu kreieren, das die abgebildete Wirklichkeit in ihrer Austauschbarkeit entlarvt. Die Bilder offenbaren dabei deutlich ihre Herkunft mit einer gerasterten Oberflächenstruktur, mit angeschnittenen Rahmen, Knicke und Falten, die auf ihre Verbreitung auf Plakatwänden, in Schauvitrinen und im öffentlichen Raum verweisen.
Ergänzend zu der Fotoarbeit zeigt Sebastian Eggler raumgreifende, aus angeschliffenem, handgeschmiedetem Stahl bestehende, scheinbar federleicht leicht im Raum schwebende oder auf dem Boden ruhende Elemente, die manche in der Fotografie sichtbare Körperlinie, die Oberflächenbeschaffenheit von Bildern aufzugreifen und in den Raum zu überführen scheinen. Ausgangspunkt dafür ist der fotografische Blick des Künstlers.

Laetitia Eskens

Laetitia Eskens Arbeit besteht aus einem an der Wand befestigten Kasten, der aus roh belassenen Holzfundstücken zusammengesetzt ist. Aus dem Kasten dringen Worte, manchmal kurze Sätze, die von der Künstlerin selbst eingesprochen wurden, Straßengeräusche, Töne. Zusammengesetzt mit einem besonderen Rhythmus, durchsetzt von Pausen und Leerstellen. Die Stimme variiert in der Tonhöhe, im Rhythmus der gesprochenen Worte, in Betonung und Dynamik.
Laetitia Eskens hat ihre Umgebung in Fotografien fixiert. Zusätzlich entstanden Aufzeichnungen, die den Blick auf scheinbar nebensächliche Details der sie umgebenden Wirklichkeit fokussieren. Jene Worte, bestimmte Adjektive, Werbeslogans und Verbalisierungen aus der omnipräsenten Welt der Waren und Produkte, die in ihrem fotografischen Archiv erscheinen, werden von der Künstlerin über die gesprochene Sprache in den Ausstellungsraum transportiert, um damit eine in Facetten aufgebrochene, kaleidoskopartige Welt entstehen zu lassen, die erst durch das Hören ihre individuelle Gestalt gewinnt. Es ist eine Welt, die sich aus wiedererkennbaren, über die Sprache transportierten Bausteinen zusammensetzt und durch das individuelle Imaginationsvermögen, durch persönliche Erinnerungen, Assoziationen und Wirklichkeitserfahrungen zu ihrer jeweils besonderen Identität findet.

Veit Hüter

Veit Hüters beschäftigt sich mit der Frage nach dem Material in der Fotografie. Sein Werk dokumentiert die Suche nach einer Art Rohstoff, aus dem fotografische Arbeiten hergestellt werden. Seine Arbeiten befassen sich demzufolge mit dem Licht selbst und der Frage, ob es Licht in verschiedenen Zuständen gibt – als Rohstoff und auch in einer fixierten Form?
Eine zu einem Block zusammengefaste Gruppe von Barytprints ist wie ein Fotogramm zu lesen, das die Faltungen und Ausdehnungen einer schwarzen Plastikfolie abbildet. Die lichtempfindlichen Papiere wurden in einer Dunkelkammer mit der Folie bedeckt und dann belichtet. Das Ergebnis ist auf den Papieren ablesbar, die die Wirksamkeit des Lichtes innerhalb des fotografischen Prozesses visualisieren.

Saskia Fischer

Saskia Fischer fokussiert sich in ihrer Arbeit auf die Befragung des fotografischen Materials. Großformatige, durch Tageslicht bzw. Chemikalien entwickelte Fotopapiere erscheinen nicht länger als Trägermaterial für fotografische Bilder, sondern als skulpturale Gebilde im Raum mit Faltungen, Rissen und Knicken. Ein orange schimmernder Neonrahmen auf der Wand verweist auf die Abwesenheit von Bildern, auf die künstlerische Verweigerungshaltung gegenüber Portraits, die, in einen bestimmten Kontext gebracht, zu politischen Agitationsinstrumenten wurden.
In der individuellen Ikonografie der Künstlerin hat die Farbe Orange eine symbolhafte Bedeutung. Orange waren die Overalls der Gefangenen auf Guantanamo. Und im orangenen Overall wurden sie, kniend und gefesselt an Händen und Füßen von einem Militärfotografen fotografiert. Die perfiden Portraits von Mensche, die gedemütigt und ihrer Wüde beraubt waren, wurden zunächst von der Al-Qaida und später auch vom IS als Ikonen ihrer visuellen Identität verbreitet.

Pio Rahner

Ausgangspunkt für seine künstlerische Gestaltung ist der Ausstellungsraum mit seinem Boden, den Fenstern und Wänden. In ihn implantiert Pio Rahner eigens dafür geschaffene Arbeiten, die insgesamt gesehen eine besondere Spannung erzeugen, da sie mehrdimensionale Ausdrucksebenen thematisieren. Auf einem aus passgenauen Spanplatten gebildeten Sockel befinden sich Objekte aus Wachs, die ganz offensichtlich von handelsüblichen Abflussrohren abstammen. Speziell zusammengesetzte Abflussrohre verlieren in Kombination mit Haarspray und einer Kartoffel allerdings schnell ihre Harmlosigkeit und können zu gemeingefährlichen Tötungswaffen werden.
Eine derart scharfkantige Ambivalenz der Deutung und Bedeutung betrifft nahezu alle ausgestellten Werke. Zwei bodenplattenartige Objekte erinnern zunächst an den typischen, kleinbürgerlichen Waschbetoncharme der 60er Jahre. Die spitzen und scharfkantigen Splitter auf der Oberfläche lassen jedoch schnell Erinnerungen an Mauern aufkeimen, die zum Schutz vor Eindringlingen auf ihrer Oberkante eben mit scharfen Splittern bedeckt sind.
Ein Schnellkochtopf dreht sich gleichförmig wie auf einem Produktdisplay, um den Betrachter in latente Unruhe angesichts einer möglichen Katastrophe in Form einer Explosion zu versetzen. Bilderrahmen, die in ihrer Anordnung die Sprossenfenster des Raumes aufgreifen, beinhalten in neutralem schwarz-weiß gehaltene Fotografien von gefundenen Astgabeln, die zu einer mechanischen Waffe werden können, fügt man nur das fehlende Gummi hinzu. Und ein winziger Stein wird vor dem Hintergrund eines sternenübersäten Firmaments zur menschheitsbedrohenden Gefahr.

Fotos: Stephan von Knobloch