Ausstellungsarchiv

DUAL

Philipp Artus, Martin Bothe / Alexander Policek, David Buob / Susan Schmidt, Evelyn Ebert, Frederik Kochbeck, Benjamin Zuber / Daniel Kiss

Eine Doppelausstellung im Künstlerhaus Dortmund und Kunsthaus Essen
Ausstellungsdauer: 09./11.12.2011 – 15.01.2012

DUAL findet an zwei Orten statt – im Kunsthaus Essen und im Künstlerhaus Dortmund. Genau dies, die zwei Orte und die Gleichzeitigkeit, ist die Leitidee der Ausstellung. KünstlerInnen wurden eingeladen, Konzepte einzureichen, die definitiv nur für beide Orte gemeinsam funktionieren, indem sie ihr Thema oder ihre formale Struktur aus diesen Rahmenbedingungen – zur selben Zeit an zwei Orten – gewinnen. Das kann einerseits schlicht eine zweiteilige Struktur bedeuten, aber auch Rezeption in Abhängigkeit von Ort und Bewegung meinen. Die Ausstellung offeriert die Auseinandersetzung mit formalen und inhaltlichen Antagonismen, Dualitäten, Widersprüchen, Paarbildungen – so wird die Ausstellung dual im besten Fall durch Bewegung erfahrbar und ermöglicht bewegende Erfahrungen.

 

Philipp Artus (Köln)

In Philipp Artus´ Videoinstallation sieht man eine haarige Spinne, die auf einer poppig bemalten Wand allerlei kapriziöse Bewegungen vollführt, Teile mit tänzerischen Bewegungen aus der Wand herausschneidet, um dadurch gleichzeitig ein experimentelles Musikstück zu erzeugen. In Dortmund und Essen werden zwei einander ergänzende Animationen auf die beiden Seiten einer Wand projiziert, wobei der Klang jeweils von beiden Seiten abgespielt wird. Der Betrachter hört daher in beiden Städten genau das gleiche, er sieht aber jeweils eine andere Wand und muss zum zweiten Ausstellungsort „durchbrechen“, um das Geschehen auf der anderen Seite zu erfahren.

Martin Bothe / Alexander Policek (Dresden / Berlin)

Martin Bothe und Alexander Policeks Ambitionen zielen darauf, beide Orte per Internetübertragung eines gefilmten Bildes miteinander zu verbinden. In beiden Ausstellungsräumen ist jeweils eine halbierte Plastikpalme aufgestellt. Hintergrund und Boden sind nahezu identisch mit dem jeweils anderen Ort. Kreidestriche auf dem Boden skizzieren den Grundriss der jeweiligen Ausstellungssituation. Deren optische Erscheinung ist nahezu gleich. Das in Essen gefilmte Bild der halbierten Palme setzt sich über die räumliche Entfernung hinweg mit dem gefilmten Bild in Dortmund zusammen. Die physisch erfahrbare Halbierung eines Körpers wird aufgefangen durch die Zusammenfügung seiner optischen Erscheinung.

David Buob / Susan Schmidt (Dresden, Berlin / Nijmegen)

Die Videoarbeit von David Buob und Susan Schmidt stimulieren spielerisch eine neue Leseweise von bekannten Räumen, Orten und Situationen. Handlungen, Gesten, Blicke und Aktionen scheinen keinem festen Sinn zu gehorchen, bilden aber neue Komponenten im Zwiegespräch der Akteure mit dem jeweiligen Ort. Innerhalb eines festgelegten zeitlichen Rahmens werden Gesten, Dialoge, Situationen improvisiert, die durch die jeweiligen sozialen und geographischen Parameter vor Ort inspiriert werden. Der Ort wird zur Bühne für Improvisationen und als deren gedanklicher Ursprung erkennbar. , während er diese in erster Instanz selbst hervorruft. Aus diesem Stichwortkatalog, der Begriffe wie twin, Dual, Pair oder game enthält, werden verschiedene kurze Episoden konzipiert, die sich mit Dortmund und Essen auseinandersetzten. Beide Städte wirken als »Kulissen«, die zwangsläufig eine besondere Sprache evozieren. Die Doppelprojektionen in Dortmund und Essen zeigen somit ein identisches Inventar an bewegten Bildern. Allerdings sind Schnittfolgen, Details und Reihenfolge der Szenen derart variiert, dass eben keine identischen Arbeiten zu sehen sind, sondern Varianten des immer gleichen Spielmaterials. Die Unterschiede realisiert aber nur derjenige Betrachter, der beide Versionen kennt.

Evelyn Ebert (Berlin)

Evelyn Eberts Objekte sind auf die beiden Ausstellungsorten verteilt. Nach einem vorher festgelegten Terminplan wird im Abstand von mehreren Tagen jeweils ein Objekt von Hermes-Versandservice abgeholt und von Essen nach Dortmund bzw. von Dortmund nach Essen geliefert. Dort wird das Objekt in Empfang genommen, ausgepackt und der Installation hinzugefügt. Stammt die ursprüngliche Setzung noch von der Künstlerin selbst, so liegt das weitere Arrangement der skulpturalen Gruppe fortan in den Händen der „Mittäter“ am jeweiligen Ort, den Aufsichtspersonen, die zum Zeitpunkt der Anlieferung gerade vor Ort sind. ist. Durch die Interaktion verschiedener Personen und von der Künstlerin genau vorherbestimmten Vorgänge bleibt die Installation in einem prozesshaften Zustand. Normalerweile lästige oder langweile Aktionen wie das Ein- und Auspacken, das Abholung und Anliefern durch den Paketboten werden damit ebenso zu Bestandteilen der künstlerischen Arbeit. Auch Verspätungen und Beschädigungen sind Teil der Arbeit.

Frederik Kochbeck (Braunschweig)

Frederik Kochbeck hat an beiden Ausstellungsorten einen Spielautomaten aufgestellt und damit dem Ausstellungsbesucher ein Instrument an die Hand gegeben, mit dem man die geheimsten Träume in die Tat umsetzen kann. Auf dem Monitor ist ein Hubschrauber zu sehen, der sich mit Hilfe eines Joysticks vor- und zurückfliegen lässt. Aber nicht irgendwo hin, sondern von Essen nach Dortmund bzw. von Dortmund nach Essen. Es geht über die A 40, hinweg über den RWE Tower, Fernsehtürme, bis man vor dem jeweiligen Kunsthaus anlangt, um es endlich in Grund und Boden zu ballern. Am Ende der Ausstellung sieht man dann, welches Kunsthaus gewonnen hat oder überhaupt noch vorhanden ist.

Benjamin Zuber / Daniel Kiss (Wien / Nürnberg)

Daniel Kiss und Benjamin Zuber haben sich auf ein großes Experiment mit höchstem Risikofaktor eingelassen. Jeder hat dem anderen ein Arbeitskonzept, einen Entwurf ausgehändigt, das in Dortmund bzw. Essen realisiert werden sollte. So ist in Essen eine Arbeit zu sehen, deren Entwurf von Benjamin Zuber stammt und die von Daniel Kiss ausgeführt wurde und umgekehrt, sieht man hier in Dortmund einen Entwurf von Daniel Kiss, der durch Benjamin Zuber zur Ausführung gelangt ist. Beide haben innerhalb der Aufbauzeit nahezu nicht miteinander kommuniziert und wahrscheinlich unruhige Stunden mit der vagen Vorstellung verbracht, den anderen vielleicht nicht richtig verstanden zu haben? Beide interessiert die spielerische Komponente des Konzeptes, die den Begriff des Scheiterns oder des Erfolges neu definiert. Getrieben wurden beide von dem Kick, die eigene Idee fremdgehen zu lassen. Einerseits besteht die Herausforderung darin, den anderen in der Ausführung seines Arbeitskonzeptes zu übertreffen. Andererseits ist die Überlegung entscheidend, mit dem eigenen Arbeitskonzept dem anderen gewissermaßen in die Hände zu spielen: Ein Arbeitskonzept zu entwickeln, von dem man glaubt, der andere könne es durch seinen eigenen Erfindungsreichtum und seine technischen Fertigkeiten besser umsetzen als man selbst. Fast als könne man so eine neue Sprache lernen.“

Fotos: Stephan von Knobloch

 

Mit Unterstützung durch: Ministerium für Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen, Kulturbüro der Stadt Essen.