Ausstellungsarchiv

Rauminstallation

Nina Lola Bachhuber

Ausstellungsdauer: 09.05. – 06.06.1998

Im Kunsthaus Essen werden 1998 vier größere Einzelausstellungen gezeigt, die als Ausstellungsreihe den Arbeitstitel „LebensArt“ tragen. Künstlerinnen und Künstler befassen sich in unterschiedlicher Weise mit Aspekten des alltäglichen Lebens: mit Gebrauchsgegenständen, mit Lebensformen und -phasen sowie Lebenssituationen und -bedingungen unserer Zeit.

Als drittes zeigt die junge Hamburger Künstlerin Nina Lola Bachhuber (Jahrgang 1971) Arbeiten in der Galerie des Kunsthaus Essen.

„Vorhänge, Tische und Betten, Röcke, Tücher und Strümpfe … Wohnungsinterieur und Bekleidung sind traditionell in der bürgerlichen Rollenverteilung die Domäne der Frau, wobei diese nicht als Einschränkung sondern als Möglichkeit der Individuation zu begreifen ist. Die Rauminstallationen von Nina Lola Bachhuber thematisieren solche Begriffe aus Möblierung und Bekleidung, wobei sie – in distanzierter Koketterie mit der weiblichen Rolle – als Materialien und Gegenstände tatsächlich das verwerten, was dem Weiblichen generell attribuiert wird.

[…] Mit feiner Ironie zitiert die Künstlerin in ihren Rauminstallationen Komponenten der zivilisierten Behausung, die durch ihre stereotype Verbreitung in den Wohnungen und Häusern wie rituelle Ausstattungsstücke anmuten. Die Gardine, von Frauenhand sorgfältig mit Stores und Volant arrangiert, wird bei ihr zum Raumteiler fern des Fensters. Die ungewöhnliche Plazierung erinnert daran, daß der Vorhang am Fenster in seiner normalen Funktionen nichts weiter ist als eine textile Innenhaut, die unseren Ausblick auf die Welt schonend filtert. […]

Es sind hauptsächlich textile Materialien, aus denen die Künstlerin Gegenständliches entwickelt. Aus weißem Nesselstoff wird ein monströser Tisch mit Stühlen genäht, die Stoffmöbel werden geschickt mit unsichtbaren Fäden verkehrt herum zwischen Decke und Fußboden verspannt. Bunte Röcke verselbständigen sich zu tanzenden Derwischen am Boden. Weiße gestärkte Nonnenhauben, in Augenhöhe installiert, bewahren ihr Rätsel des Verbergens und Freilegens eines nicht vorhandenen Gesichtes und sind doch gleichzeitig wunderbar geformte plastische Gebilde.

[…] Die Arbeiten von Nina Lola Bachhuber sind jedoch nicht auf die Aussage des „Häuslichen“ beschränkt. Sie thematisieren dadurch vielmehr die existentielle Problematik: Geburt, Tod und die Seinszustände dazwischen. Gewissermaßen bildet sie Hüllen ab, die Menschen in ihren verschiedenen Zuständen umgeben. Diese Hüllen fungieren als Substitute für Körperliches. [..] Zwischen Würde und Absurdität pendelt die Stimmung dieser Arrangements: ein Spektrum, das ohnedies recht häufig humane Aktivitäten charakterisiert. […]“

(Barbara Rollmann-Borretty: Katalogtext. In: Die Ambivalenz des Interieurs)

Foto: Ingrid Weidig