Ausstellungsarchiv

Sehenswürdigkeiten

Nica Radic, Stefano Boccalini

Ausstellungsdauer: 16.06. – 16.07.2000

Beide Künstler arbeiten raumbezogen und inszenieren erlebbare und interaktive Raum-Klang-Installationen. Die drei Galerieräume des Kunsthaus Essen wurden zu einem Erfahrungsfeld von Privatheit und Isolation sowie Kommunikation und Öffentlichkeit. Außerdem thematisiert die Ausstellung als Etappe einer Reise die Sichtweise des Touristen. Während der ersten drei Öffnungstage hielten sich die Künstler rund um die Uhr in der Ausstellung auf.

Zwei Aspekte werden in dieser Ausstellung thematisiert: Einerseits kann man eine Ausstellung heutzutage mit dem Tourismus assoziieren, denn Ausstellungen werden gemacht, um gesehen zu werden und sollten als Ganzes, nicht als eine Zusammenstellung „schöner“ Objekte wahrgenommen werden. Oft wird dem Besucher nahegelegt, die eigene Anwesenheit später mit Katalogen, Postkarten, Souvenirs  oder eigenen Photos unter Beweis stellen zu können. Das Sehen durch das Objektiv ist eine Sichtweise, die unseren Blick aufwertet. Deswegen werden in dieser Ausstellung Kameras zur Verfügung gestellt. Man ist eingeladen, seinen eigenen Blick zu fixieren. Aus der Ausstellung wird eine „Sehenswürdigkeit“.

Ausstellungen haben auch einen gesellschaftlichen Aspekt. Sie sind ein Ort, wo man mit Freunden hingeht, wo man sich trifft. Das Alleinsein und das Zusammensein ist in einer Ausstellung immer präsent. In Ausstellungen ist man selten allein, aber oft ist man sich der anderen Besucher nicht bewußt. Der Raum mit dem Tisch ist ein Raum, wo man sich mit anderen Besuchern unterhalten kann. Auf dem Tisch stehen Tee und Kaffee, also Getränke, die man meistens in Gesellschaft anderer trinkt und deren Genuß Teil unserer Kommunikationsriten ist.

Um überhaupt in Kommunikation treten zu können, muß man auch manchmal allein sein. Ununterbrochene Kommunikation ist keine Kommunikation mehr, sondern Chaos, das wir als Streß empfinden. Der zweite Raum bietet das Alleinsein an. In diesem Raum hängen von der Decke Helme, die man auf den Kopf setzen kann, und dann muß man nichts mehr sehen. Man hört „white noise“, einen rauschenden Klang, der von Psychiatern benutzt wird. Es ist ein Geräusch, das die andere Klänge nicht überdeckt, sondern sie schwer erkennbar macht, und deswegen stören sie auch weniger.

Im dritten Raum verschmelzen das Private und das Öffentliche. Auf einem übergroßen Bett (neun Meter lang) wird auch wirklich geschlafen. Das Bett als Symbol des ganz Privaten liegt im Gang, und die Besucher können es nicht übersehen. Sie können sich selbst auch hinlegen, und die Grenze zwischen Kommunikation und Alleinsein wird aufgehoben. Die ganze Ausstellung beginnt mit dem Privaten, wo man normalerweise nicht kommuniziert, und dann bietet sie zwei Möglichkeiten für das Verhältnis zu den Anderen: Alleinsein und das gemeinsame Treffen. Im normalen Leben gibt es das auch, aber meistens nicht so extrem getrennt.

Fotos: Renate Neuser