Ausstellungsarchiv

next one

Mirko Martin, Jason Evans, Mark Neville

Ausstellungsdauer: 02.05. – 13. 06.2010

next 1 – discussing photography bildete im Rahmen der Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010 eine Plattform für Ausstellungen, Diskussionen und Tagungen zur Fotografie. Sechs Institutionen im Ruhrgebiet luden im Mai 2010 ein, daran teilzunehmen. Einen Monat lang wurden an diesen Orten und im öffentlichen Raum Ausstellungen junger europäischer Fotografie gezeigt.

Das Kunsthaus Essen präsentierte im Rahmen von Next One in kurzer Folge drei internationale Positionen zeitgenössischer Fotografie: Mirko Martin (02.05. – 09.05.2010), Jason Evans (17.05. – 23.05.2010) und Mark Neville (28.05. – 13.06.2010)

Mirko Martin – L.A. Crash

Mirko Martins Fototableaus simulieren Szenen urbanen Lebens. Der Ort des jeweiligen Geschehens ist unzweifelhaft als Großstadt zu identifizieren. Sie gibt die Bühne ab für die ins Bild gesetzten Begebenheiten, wie etwa die Festnahme flüchtiger Krimineller durch die herbeieilende Polizeigewalt, inszenierte Autounfälle im Zeichen zuckender Neonreklame, monumentaler Werbebanner oder spektakulärer Skylines. Dabei bedarf es keiner exakten geographischen Verortung der Ereignisse, um das „Erlebnis Großstadt“ noch intensiver und emotionsgeladener zu visualisieren. Mirko Martins Fotografien wirken wie Standbilder eines kurzzeitig angehaltenen Films. Ein eigentlich in der Zeit sich entwickelndes Ereignis gewinnt durch die Stilllegung vorhersehbarer Handlungsabläufe eine dramaturgische Brisanz, die sich auch an der Choreographie der beteiligten Akteure festmachen lässt. Martins Bildwelten spielen mit der Doppelbödigkeit verschiedener Realitätsebenen. In der Betrachtung vermengen sich die Wahrnehmungsebenen der gezeigten Fiktion mit persönlich gefärbten Erinnerungen an ähnliche Erlebnisse, verinnerlichte Filmbilder, Episoden und Kinoer- fahrungen. Auf diese Weise wird es dem Rezipienten geradezu unmöglich gemacht, die Frage nach der Wirklichkeit und Wahrhaftigkeit fotografischer Bildwelten eindeutig zu beantworten.

 

Jason Evans – The Daily Nice
Kuratiert von Ben Burbridge

The Daily Nice ist ein im Oktober 2004 gestartetes Online-Foto-Projekt von Jason Evans. Jeden Abend wählt er ein Foto aus einem Ordner mit dem Namen unborn daily nice und lädt es dann auf seine Webseite hoch. Jedes Bild wird nur für einen Tag ohne die Möglichkeit gezeigt, es danach noch einmal zu sehen. Die Website kann als Ort wohlwollender Zustimmung aber auch als leiser Tadel der derzeitigen Beziehung zwischen Fotografie und Kunstmarkt verstanden werden. Darüber hinaus nutzt Evans die außerordentlichen Möglichkeiten des Internets, ein breites und weltweites Publikum mit nur minimalem Aufwand zu erreichen.

Von einigen Bildern aus dem Archiv der vorangegangenen daily nices wurden fotografische Abzüge gemacht und im Kabinett des Kunsthauses als Stapel ausgelegt. Die Besucher sind eingeladen, das jeweils oberste Foto mitzunehmen und es später anderswo zu zeigen. Die Tatsache, daß die Besucher nur das eine, oberste Bild sehen können (zumindest ohne den Stapel zu zerstören), übersetzt Evans Strategie, jeweils nur ein Bild pro Tag auf seiner Website zu zeigen.

Jason Evans arbeitet als Fotograf in den unterschiedlichsten künstlerischen Bereichen, wobei sich seine Bilder vor allem durch ihren experimentellen Ansatz auszeichnen. Bekannt geworden durch seine Arbeiten in unterschiedlichen Medien, hat er sich auch in der Modewelt, Musik und im redaktionellen Bereich einen Namen gemacht. Evans schreibt in verschiedenen Zeitschriften über Fotografie, unter anderem in Aperture und Photoworks. Er ist Senior Lecturer für Fotografie an der University of Wales in Newport.

www.thedailynice.com / www.thenewscent.com / www.jasonevans.info

 

Mark Neville – „The Jump Films“ und „Fancy Pictures“

Mark Nevilles künstlerisches Werk bewegt sich in „klassischen“wie in experimentellen Ausdrucksbereichen des Mediums Fotografie. So entstehen thematisch in sich geschlossene Fotoserien, die in Form von Diashows präsentiert werden, neben 16 mm Filmen, bei deren Realisierung Neville auf eine Ultra high speed Kamera zurückgreift, die üblicherweise zur Aufzeichnung von simulierten Autounfällen innerhalb wissenschaftlicher Versuchsreihen zum Einsatz gelangt und aufgezeichnete Bewegungssequenzen in extremer Verlangsamung wiedergibt. „The Jump Films“ zeigt den Künstler bei der Durchführung
verschiedener Aktionen an jeweils unterschiedlichen Orten. Dabei verleiht die durch den Einsatz der Spezialkamera erreichte atemberaubende Entschleunigung der Realzeit dem eingefangenen Ereignis – einem Sprung von einer Brücke in einen darunter liegenden Fluss -eine geradezu monumentale Qualität. Indem das Wissen des Betrachters um die Flüchtigkeit derartiger Aktionen in extremer Weise mit der besonderen visuellen Präsenz der gezeigten Situation kollidiert,
offenbart sich das filmische Bild als formale Abstraktion sinnlich erfahrbarer Realität. Bilder von stiller, fast lautloser Dramatik, die auch die ästhetische Erscheinungsweise von „Fancy Pictures“ bestimmen, lassen den wahrnehmbaren Verlauf der Zeit fast bis ins Unerträgliche gefrieren.

Weitere Infos unter www.next-photography.de

Fotos: Stephan von Knobloch, FH Dortmund (Katalogleporello)