Ausstellungsarchiv

Made in …

Klaus Javier Gastelum, Caroline Schlüter, Mercedes Wagner, Lidong Zhao

Ausstellungsdauer: 10.11. – 15.12.2019

Das Kunsthaus Essen zeigt in Kooperation mit der Folkwang Universität der Künste eine Ausstellung mit vier fotografischen Positionen, die das Medium Fotografie über seine künstlerisch formale Verfasstheit hinaus als ein Medium der Reflexion nutzen und begreifen. Mit ihren Arbeiten spiegeln sie aktuelle gesellschaftliche Diskurse und Fragenkomplexe. Dazu gehören neben der anhaltenden Veränderung der Gesellschaft durch die Globalisierung und dem Wandel des Geschichtsbilds durch die postkolonialistische Debatte insbesondere auch die Frage nach der Rolle des fotografischen Bildes und dessen Beziehung zum Betrachter. Ob europäische Investitionsruinen, weltweit kursierende Lebensmittelkreisläufe, Landschaftsfotografie oder fotografische Raumexegesen – allen gemeinsam ist die Frage danach, wie Fotografie die Komplexität der Wirklichkeit, ihre Widersprüche und Herausforderungen in Bilder zu fassen vermag, die die Zukunft wie die Herkunft des Motivs reflektieren.

Mercedes Wagner: ExExoArtefakt (2018)

ExExoArtefakt (2018) untersucht unseren Alltag auf seinen kolonialen Hintergrund hin und befragt die Repräsentationsfunktionen von Objekten und des fotografischen Mediums. Es werden Parallelen zwischen historischen und gegenwärtigen Prozessen gezogen, während der Begriff des Artefakts in einem neuen Kontext erscheint.
Im Museum sind Artefakte losgelöst von ihrer originären Funktion sowohl als Objekte wie auch als Repräsentanten der Historie erfahrbar. Dieser Inszenierungsmoment wird hier durch fotografische Mittel auf alltägliche Lebensmittel, die in Relation zu Lateinamerika stehen, übertragen. Sie werden zu skulpturalen Objekten deren Eigenleben zu einer genaueren Auseinandersetzung einlädt. Gleichzeitig ermöglicht es die Ausschnitthaftigkeit der Fotografie den Bedeutungsraum der Motive so zu erweitern, dass die abgebildeten Lebensmittel als Stellvertreter des Alltäglichen lesbar werden. In der Rekontextualisierung mit Fotografien präkolumbianischer Artefakte aus musealen Sammlungen wird die Repräsentationsfunktion der Lebensmittel auf ihren gemeinsamen kolonialen Kontext erweitert – durch diesen wurden sie für Europäer zugänglich und teilweise sogar heimisch „gemacht“ wie z.B. die Kartoffel. Durch das Einbinden zeitgenössischer Superfoods fragt die Arbeit auch nach zeitgenössischen Pendants, die auf die Verlinkung von Kolonialismus und Globalisierung verweisen.
Mittels des fotografischen Bildes und seiner abstrahierenden, indexikalischen und inszenierenden Qualitäten wird innerhalb der raumbezogenen Installation ExExoArtefakt ein Bezugsnetz gebildet, in dem die einzelnen Bilder in ihrem Zusammenspiel einen fotografischen Raum schaffen, der die Lesart gewohnter Objekte zu verändern sucht, mit dem Ziel Begriffe wie Herkunft und Kultur zu hinterfragen.

Caroline Schlüter: Scheitern. Aufgelassenes Europa

Investitionsruinen sind längst nicht mehr nur ein ungewolltes Wahrzeichen Spaniens. In den meisten europäischen Ländern prägen sie das Stadt- bzw. Landschaftsbild.
Die Gründe für die Ruinierung sind dabei vielfältig. Mal handelt es sich um privates Scheitern, mal um Opfer der Korruption, mal aber auch um pure Fehlplanung.
Eines haben die Motive meiner Arbeit jedoch alle gemeinsam: Sie haben ihre Zukunft in der Vergangenheit und verharren so in einem Zustand zwischen Noch-nicht und Nicht-mehr. Allesamt wurden sie nicht fertiggebaut und nie ge- oder umgenutzt.
Es drängt sich die Frage auf, ob diese Ruinen unserer Gegenwart das Pendant zu jenen der Antike bilden und so eine Parabel für unsere vom Kapitalismus geprägte Gesellschaft geworden sind. Die Gebilde haben mit dem Abbruch des Entstehungsprozesses ihre Daseinsberechtigung verloren, stehen nun aber als Mausoleen der Spekulation in den verschiedenen Ländern.

Klaus Javier Gastelum

Die Frage lautet immer: „Was fotografieren Sie?“, aber nie „Wie fotografieren Sie?“
In seinen Arbeiten interessiert sich Javier Gastelum für Bilder, welche die Erwartungen ihrer Betrachter unterlaufen, negieren oder in die Irre führen. Bilder, deren Bedeutung nicht in ihrem Bezug zur Welt liegt, sondern die unbestimmt bleiben. Diese Unbestimmtheit könnte ein Nach-Sehen, ein Nach-Denken, Reflexion auslösen. Wenn nichts fest definiert und klar umrissen ist, wenn Unschärfe und Undeutlichkeit ins Spiel kommen, fängt das Denken erst an.

Lidong Zhao

Was ist das, was auf einer Fotografie zu sehen ist? Was ist dieses Stück Welt, wie ist es zu verstehen: als Ding, als Landschaft, für sich und an sich existierend? Dies sind einige der Fragen, die der Arbeit von Lidong Zhao zugrunde liegen. Ein Gegenüber, ein fotografiertes Objekt, ein Ort existiert nach Wahrnehmung des Künstlers doch immer nur in der Beziehung einerseits mit der Umgebung aber auch mit dem Sehenden (und dem Fotografierenden) und entsteht überhaupt erst in dieser sich immer wieder verändernden Beziehung.
In seinen Arbeiten versucht Lidong Zhao, mit dem Medium Fotografie seine Beziehung als Fotograf zur (Um)Welt durch oder mit der Kamera zu erforschen. Die binäre Beziehung Objekt-Subjekt aufbrechend, bezeichnet (Um)Welt somit zugleich seine Umwelt, die ihn als Sehenden zum Mittelpunkt hat, aber auch die Welt, von der er sich als Teil versteht. Die Arbeit an seinen Stillleben und an den Landschaften seht der Künstler als anhaltenden Prozess, der trotz vieler Veränderungen und Fortentwicklungen bereits seit 2012 anhält. Daher stellt Zhao seine Bilder in immer neue Konstellationen zusammen, wobei ältere und neuere Fotografien (und damit Entwicklungen) nebeneinander existieren. „Meine Arbeit“, folgert Zhao, „verstehe ich als einen unermüdlichen Versuch, mich der Frage nach dem Gegenüber in der Fotografie, nach dem Abbild, der Darstellung anzunähern: Was zeigt eine Fotografie, was ist abgebildet – oder ist nicht die Fotografie selbst ein Stück Welt?“

Die Ausstellung findet im Rahmen des f 2 Fotofestivals Dortmund 2019 und in Kooperation mit der Folkwang Universität der Künste statt.

Fotos: Stephan von Knobloch

Gefördert durch: Allbau Stiftung, Folkwang Universität der Künste