Ausstellungsarchiv

Prima leben und sparen

Kyra Stratmann, Andrea Knobloch

Ausstellungsdauer: 05.03. – 01.04.1999

Das Projekt untersucht am Beispiel der ‘Daily Soap’ das Verhältnis der eigenen alltäglichen Lebenswirklichkeiten zu synthetischen Realitätsdarstellungen, wie sie in täglich wiederkehrenden Soap-Episoden vorgeführt werden.

Im Mittelpunkt steht hier die Frage nach der Entgrenzung medial aufbereiteter Alltags-Darstellung und ihrem Übergreifen in die persönliche Realität der ZuschauerInnen und SchauspielerInnen bzw. das Wegdrängen eigener Erlebnisse oder Erlebnisfähirgkeit zugunsten eines über das Medium Fernsehen vermittelten Spektrums an aufbereiteten Ereignissen und Emotionen.

Stratmann und Knobloch verliessen innerhalb ihrer Projektkonzeption die Position des unbeteiligten Resümierens und Präsentierens und bezogen ihre eigenen Lebenswirklichkeiten als Künstlerinnen bewußt mit ein. Sowohl die Ausgestaltung von Soundinstallation und Ausstellungsarchitektur, denen eine Materialsammlung in den Bereichen Fernsehen, Wohnen und Einkaufen zugrundeliegt, als auch Planung und Durchführung des gesamten Vorhabens wurden ständig auf ein Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit überprüft und entsprechend modifiziert. Programmatischer Leitfaden war hierbei, die individuelle Lebenswirklichkeit als durch Fremdarbeit hinzuverdienende Künstlerinnen in ein Verhältnis zu setzen zu eigenen und fremdbestimmten Ansprüchen an eine in erster Linie der Repräsentation verpflichteten Ausgestaltung der Ausstellungsräume. Die Aufsplitterung in verschiedene Identitäten (Künstlerin, lohnabhängige Beschäftigte, Freundin oder Ehefrau) und die damit einhergehenden Sprünge und Verwerfungen werden wiedergefunden in dem Auseinanderfallen synthetischer Identifikationsangebote in Fernsehen und Werbung und den tatsächlichen Lebensverhältnissen ihrer KonsumentInnen.

Alltägliche, gelebte und in den Soaps präsentierte Realitäten vermischen sich nicht nur auf der Ebene der unmittelbar schauspielerisch Agierenden, sondern auch auf der ihrer ZuschauerInnen. Unterhaltungen, z.B. im Internet, über einzelne Episoden unterscheiden sich kaum von Gesprächen über reale Erlebnisse. Der Wunsch, der eigenen Realität zu entfliehen und zumindest für eine begrenzte Zeit eine andere Rolle zu spielen, scheint realisierbar: Im Rahmen der Produktwerbung werden Offerten lanciert, selbst ein „Star“ zu werden und sich als aktiv Teilnehmender in das Soap-Geschehen zu integrieren. Mediale Präsenz bedeutet das Eintauschen der privaten gegen eine öffentliche Identität.

(Helen Koriath)

Fotos: Ingrid Weidig