Ausstellungsarchiv

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Kai Borsutzky, Jens Kothe, Tammo Lünemann

Ausstellungsdauer: 26.01. – 23.02.2020

Die Ausstellung mit Arbeiten von Kai Borsutzky, Jens Kothe und Tammo Lünemann stellt Fragen nach dem Verhältnis von Körperlichkeit und Intimität, nach dem Wesen des Erinnerns und der Narration vermeintlicher Nichtigkeiten. In Form von künstlerischen Hybriden, multimedialen Mischwesen, Interferenzen und transmedialen Installationen trifft greifbare Stofflichkeit auf das Prinzip des Auslöschens, auf ein künstlerisch inszeniertes Wechselspiel von körperlicher An- und Abwesenheit sowie auf fiktive Erinnerungsorte, bei denen sich Abstraktes und Konkretes miteinander vermengen. Das Spiel mit dem Vertrauten, die Umdeutung des Alltäglichen durch dessen symbolische Überhöhung und die Schaffung von Assoziationsspielräumen mittels bewusst gewählter Materialkombinationen schafft einen gedanklichen Überbau, der die unterschiedlichen Bilder, Installationen, Assemblagen und Objekte miteinander verbindet.

Tammo Lünemann

Sowohl meinen grafischen als auch den bildhauerisch bis hin zu installativen Werken ist das Thema des Erhebens von Profanem gemein. Den beiläufigen Sichtweisen vermeintlicher Nichtigkeiten messe ich häufig großen Wert bei, weil ich gerade in dieser Summe des Facettenreichtums eine narrative Legitimität sehe. Hierfür variieren allerdings jene Momentaufnahmen einer Bewegung, eines Gedanken, des Resümierens eines Dialoges, des Eingestehens eines Fehlers, des Erkennens des Absurden, des Aufbegehren einer Leidenschaft, deren Intensivierung oder aber deren Abklang. Dieser banalen Bilderwelt liegt ein nach innen gewandtes Dechiffrieren zugrunde, welches erhabene Strukturen durch jene persönliche Symbole ersetzt. In dem grafisch-literarischen Teil meiner Arbeit findet sich daher oft ein Fokus auf üblicherweise aus dem Fokus gerückter Schlüsselmomente. Diese etwa zaghaften Bewegungen physischer und emotionaler Intimität und Aussagen des Lesens und Verlesens zwischen den Zeilen, das Wünschen und Versagen werden dann von mir auf ebenfalls in imitierter Beiläufigkeit gezeichnet und niedergeschrieben. Handwerklich habe ich mich zu diesem Zweck für den Siebdruck entschieden, da mir seine Gleichzeitigkeit im Druck eine größtmögliche Abwesenheit meiner Selbst ermöglicht, des Weiteren seine Brillanz zarte Farbkombinationen zulässt und dabei die Nebensächlichkeit im ausstellenden Kontext wieder herstellt. Die Wahl der Druckträger sowie der Materialien für bildhauerische Werke erschließt sich häufig durch den Wunsch einer diesseitigen Bildwelt. Hierfür verwende ich entweder alltägliche Gegenstände oder aber erlerne Handwerkstechniken, auf dass die von mir geschaffenen Gegenstände ebenfalls vertraut anmuten. Die Üblichkeit dient der Verankerung des Betrachters und dessen Erleichterung eines Zugangs zu meiner Arbeit. Im erhabenen Arrangement entdeckt er in ihm Vertrauten jene Narration vermeintlicher Nichtigkeiten.

Jens Kothe

In seinen Arbeiten beschäftigt sich Jens Kothe mit Fragen nach Körperlichkeit, Intimität und Materialität. Seine Objekte, Assemblagen und Installationen greifen Elemente des Alltäglich-Gewohnten auf und lassen räumliche Situationen entstehen, die etwas Privates und Vertrautes hervorrufen. Häufig adressieren sie zudem ein Wechselspiel zwischen körperlicher An-und Abwesenheit und thematisieren dadurch Fragen nach dem Unheimlichen. Jens Kothe arbeitet mit einem breiten Spektrum an Materialien, die von Holz, Beton, Glas und Fliesen über Silikon bis hin zu Textilien reichen. Die Wahl des Materials ist dabei charakteristisch für sein bisheriges künstlerisches Werk. Physische Qualitäten von Stofflichkeiten sowie deren Wirkungen und vor allem Kombinationen von teils sehr unterschiedlich konnotierten Materialien spielen in Kothes Arbeiten demnach eine besondere Rolle. Häufig greift Kothe vor allem auf die Technik der Polsterung zurück, wodurch Anspielungen auf Mobiliar und Interior Design initiiert werden, so dass seine Objekte eine Spannung zwischen Funktionalität und Materialästhetik aufbauen. Die von Kothe kreierten Situationen und Umgebungen arbeiten stark mit Fragen von intuitiver Wirkung und Wahrnehmung und bringen dabei Assoziationsspielräume hervor, die sowohl auf der Ebene des Sujets als auch der des Materials entstehen. Was die Arbeiten zudem aktivieren, ist ein ‚haptischer Blick‘, denn aufgrund ihrer visuell greifbaren Stofflichkeit verführen sie zur Berührung und provozieren den Wunsch einer haptischen Erfahrung.
(Text: Svetlana Chernyshova)

Kai Borsutzky

Das Thema der Erinnerung und die daraus resultierende Entwicklung und Gestaltung fiktiver Erinnerungsorte spielen bei Kai Borsutzky eine zentrale Rolle. Der aus mehreren Einzelarbeiten organisierte Aufbau und die Zusammensetzung der Arbeiten sind dabei an bestimmte Funktionsweisen unseres Gedächtnisses angelehnt. Wenn wir uns an etwas erinnern, sei es ein Ereignis, eine Person oder eben ein Ort, dann ist diese Erinnerung meist multimedial. Wir verlassen uns also nicht auf einen einzelnen, losgelösten Sinn, sondern rufen uns meist verschiedenartige Aspekte des Erinnerten ins Gedächtnis und können uns so nicht nur an Seheindrücke, sondern auch beispielsweise an Gerüche und Gefühle erinnern. Borsutzkys Installationen greifen diesen Aspekt der Erinnerung insofern auf, als verschiedene Medien zu einem sinnvollen Ganzen kombiniert werden. So werden häufig dreidimensionale Objekte neben Malereien und Fotos gezeigt, architektonische Gegebenheiten des Raumes wie beispielsweise Heizkörper selbstverständlich in die Arbeit integriert und alltägliche Gegenstände wie Kabel, die einige Werke notwendigerweise mit Strom versorgen, nicht verschleiert oder versteckt, sondern als Teil der Arbeit hervorgehoben und gezielt präsentiert. Erinnerungen können sehr konkret, aber auch diffus und schwer greifbar sein. In der Installationen werden ebenfalls bewusst solche Gegensätze zusammengefügt, indem einerseits sehr konkrete, andererseits aber auch sehr abstrakte Arbeiten oder auch Mischformen gezeigt werden. Ausschnitte von Fotografien erscheinen unweigerlich sehr konkret, wohingegen weiches Licht sich sehr diffus zeigt. Fotografien werden mit abstrakten Zeichnungen überlagert und zusammen gezeigt, so dass sich Konkretes und Abstraktes vermischen und aufeinander beziehen. Ein weiteres wichtiges Prinzip, das in den Arbeiten immer wieder thematisiert wird, ist das Prinzip des Auslöschens. Abstrakte Zeichnungen, die zusammen mit den Fotografien in den Leuchtkästen gezeigt werden, wirken durch die Beleuchtung so, als würden sie sich auf einer räumlich versetzten Ebene befinden und eine eigene Einheit bilden. Tatsächlich sind die weißen Zeichnungen nichts weiter als aus dem Bild herausgekratzte und somit quasi ausgelöschte Teile.

Fotos: Stephan von Knobloch

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