Josef Schulz
Ausstellungsdauer: 08.05. – 14.06.2009
In der Vergangenheit hatten die nationalen Grenzen trennenden Charakter. Hier wurden politische, juristische, fiskalische und monetäre Systeme voneinander abgegrenzt, dort sprachlich kulturelle Unterschiede. Grenzen waren Markierungen, die nicht nur territorial gezogen wurden, sondern quer durch die Köpfe. Das Andere, Unverständliche, Irritierende hatte so einen räumlich abgesteckten, eigenen Ort.
Im heutigen Europa verlieren die Binnengrenzen ihre politisch und wirtschaftlich trennende Funktion. Da die Schlagbäume aber schneller verschwinden als die Barrieren im Kopf, bleiben die alten Grenzen im Bewußtsein. Die nach wie vor bestehende kulturelle Trennung muß nicht negativ empfunden werden, für viele aber ist die geographische Ausdehnung der EU in ihrer Größe kaum noch nachzuvollziehen. Die langfristigen Konsequenzen einer äußerlich-funktionellen Einheit, bei gleichzeitiger kulturell-ideeller Zerrissenheit, sind noch nicht absehbar.
Josef Schulzs Bilder aus der Serie „Übergang“ zeigen mit offenen, verlassenen Grenzposten Europas eine nutzlos gewordene Zweckarchitektur, die von einem seltsam anmutenden Charme aus Melancholie und Erinnerung umgeben scheint. Gezeigt werden menschenleere Orte, verlassene Plätze inmitten einer unwirklichen Landschaft. Strassen, die aus dem Nichts zu kommen und wieder ins Nichts zu führen scheinen. Grenzstationen, die von den spezifischen architektonischen Errungenschaften und typischen Baustilen eines jeweiligen Landes zeugen. Handlungsanweisungen, unmissverständlich per Piktogramme formuliert, die das kollektive Selbstverständnis der westlich geprägten Gesellschaft wachrufen. Durchblicke durch mittlerweile blind gewordene Scheiben, die auf Überwachung, Beobachtung und Kontrolle ausgerichtet sind. Lampen und Beleuchtungssysteme, die einstmals keine nächtlichen Schatten zuließen und heute nur noch vom zweifelhaften Stilbegriff funktionaler Zweckeinrichtungen zeugen.
Schlagbäume inmitten üppiger Grünlandschaften und sonnenbeschienener Waldwege, die wie zufällig geöffnet scheinen und für deren Wirken sich offensichtlich niemand mehr verantwortlich fühlt. Trotzdem formuliert sich allein durch ihr Dasein als seltsam fremd und künstlich wirkendes Objekt die versteckte Drohung, jederzeit wieder in Betrieb genommen werden zu können.
Bei der Suche nach Möglichkeiten der Erweiterung seines Ausdrucksspektrums, das sich bis Ende der 1990er Jahre hauptsächlich im Bereich der traditionellen analogen Fotografie entwickelte, stieß Josef Schulz auf das reichhaltige Repertoire an Bildbearbeitungsprogrammen, die ihm der Computer bereit stellte. Mittlerweile kombiniert er traditionelle Fotografie mit digitaler Bildbearbeitung und der „digitale Eingriff“ in zuvor analog fixierte Situationen erscheint als wesentlicher Bestandteil seiner künstlerischen Vorgehensweise. Der damit formulierte „Schritt von abbildender zu bildgebender Fotografie“ wird nunmehr entscheidend. Mit Hilfe des Computers werden Symmetrieachsen verstärkt und vor allem der Hintergrund seiner Fotografien zurückgenommen zugunsten einer Hervorhebung des im Vordergrund befindlichen Motivs, ohne, dass allerdings das Originalbild verloren ginge. Die Grenzlandschaft wird unkonkret, quasi entkörperlicht. Durch die dokumentarische Reihung und Entkontextualisierung werden die Grenzposten zum Modell reduziert. Architekturvorstellungen und Zeitgeschmack der unterschiedlichen Länder werden spürbar. Die Grenzstationen erscheinen als verblichene Mahnmale für die einstige Trennung.
Fotos: Ingrid Weidig
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