Nils Bleibtreu
Ausstellungsdauer: 28.01. – 04.03.2018
Als ein in der postindustriellen Umgebung des Ruhrgebiets aufgewachsener Künstler bezog Nils Bleibtreu bereits in der Frühphase seiner Ausbildung an der Kunstakademie Düsseldorf wesentliche Anreize von dem vermeintlich Falschen und Kaputten. Das Imperfekte und Fehlerhafte wurden zu zentralen Referenzpunkten seiner Arbeit. Bleibtreu versteht das Defizitäre und Imperfekte als wertvolle Qualität, um ungewöhnliche Möglichkeiten für ein Werk zu finden.Während des Studiums begab er sich auf die Suche nach einem an der Malerei geschultem Ausdruck, der genauso zwischen „Hoch“ und „Tief“ oszilliert wie ein Seismograf, der die minimalen tektonischen Verschiebungen einfängt. Bleibtreus Ansatz war stets ein auf vorsichtige, spielerische, gefährliche Weise reaktiver.
Seine Bilder werden zu Austragungsorten, in denen ihr Schöpfer randalierte, bis die notwendigen Formen sich materialisieren. Die Methoden des Samplings und des Rearrangements markieren dabei die Eckpfeiler derjenigen Resonanzräume, in die es zu rufen und sich künstlerisch zu bewegen gilt.Nils Bleibtreu benutzt hauptsächlich Baumaterialien wie gewelltes Polyester, Malervlies, Kratzputz, Staub, Sand, Atelierreste und wasserbasierte Autolacke. Diese Materialen erzeugen die notwendigen Effekte in Fragen der Materialität, der Farbgebung und der Viskösität, während der notwendigerweise schnelle Auftrag eine Art der Kontrollabgabe darstellt, die für Bleibtreus Arbeit schon immer zentral war.
In jugendlichem Alter hatte Bleibtreu Graffti gemalt, ein Genre, das ihn schon bald in eine gestalterische wie intentionale Sackgasse führte. Graffiti allerdings beeinflusste das spätere Werk, in dem es das Moment und die Erscheinung des Zufälligen, den Moment des drohenden Scheiterns in seine Malerei zu integrieren und als besondere Qualität des künstlerischen Ausdrucks zu akzeptieren half.
Die auffallende Farbgebung in vielen seiner Werke entsteht durch das Verwenden von Autolacken, die mithilfe einer Lackierpistole gesprüht werden. Bleibtreu wendet sich also größtenteils ab von der herkömmlichen Malerei mit einem Pinsel und widmet sich dem Schnelligkeit erfordernden Sprühen. Das Sprühen bewirkt außerdem, dass der Künstler sich zu einem gewissen Grad auf eine Zufälligkeit einlassen muss. Das Aufgeben der Kontrolle spielt eine elementare Rolle in den dichten Schichtungen der Werke. Der Künstler kann hier in den Prozess vor allem lenken und verändern aber nicht vollends bestimmen, und überlässt dem Material auf diese Weise eine gewisse Eigenständigkeit während des Entwickelns des Kunstwerkes.
Das traditionelle Malen mit dem Pinsel aufzugeben, bedeutet für Bleibtreu indessen, die Narrative, die in Objekten und Materialen liegen, und die nicht nach einer schöpferischen Tat verlangen, anzuerkennen und mit ihnen zu arbeiten. Ihre vermeintlichen Fehler werden so weitere Referenz- und Manipulationsfaktoren. Widerspruch, Opposition, negative capability – die Fähigkeit, in einem unsicheren Zustand voller Geheimnisse und Zweifel zu verharren, ohne nervös nach Fakten und Vernunft Ausschau zu halten – genauso wie Aneignung und Sampling machen die zentralen Methoden seiner Arbeit aus. Mit ihr will der Künstler die Schwerkraft des Zeitgenössischen befragen. Seine Arbeit fndet an der Grenze zwischen Bild und Readymade statt, sie lehnt die Sicherheiten ab, denn der Moment des Zweifeln, der in jedem neuen Versuch liegt, ist unabdingbar für sie.
Fotos: Stephan von Knobloch