Ausstellungsarchiv

Most Popular of All Time

Clare Strand / Gordon MacDonald

Ausstellungsdauer: 03.11. – 15.12.2013

Die Ausstellung „Most Popular of All Time“ von Clare Strand und Gordon MacDonald setzt sich zum Ziel, in vollkommen neuer und bislang unbekannter Weise den Betrachter als aktiven Bestandteil des Ausstellungsgeschehens in die künstlerische Gestaltung mit einzubeziehen. Unter normalen Bedingungen ist der Besucher von Kunstausstellungen auf die Rolle des distanzierten Betrachters festgelegt. Die gezeigten Werke dürfen üblicherweise nicht berührt oder gar von ihren vorgesehenen Orten freimütig entfernt werden. Der eigentliche Entstehungsprozess vermittelt sich lediglich durch entsprechende Katalogbeiträge, im Rahmen von Führungen oder – eher seltener – durch Gespräche mit den jeweiligen Künstlern.

Die im Kunsthaus Essen präsentierte Ausstellung definiert die angestammte Rolle der Betrachter sowie das Verhältnis zwischen Künstler*in und Rezipient*in neu. Sie lässt die Betrachter zum Kollaborateur und Komplizen der künstlerischen Intentionen werden und fordert sie geradezu auf, an der Entstehung von Kunstwerken aktiv teilzunehmen.

Ikonen der Fotografie des 20. Jahrhunderts sind dafür das ausgewählte Ausgangsmaterial, Foto-grafien, die allerdings in der Ausstellung nicht als Reproduktionen, sondern als Strichzeichnungen auftauchen. Als Zeichnungen, die als solche erst noch hergestellt werden müssen – hier durch den Betrachter. Dieser sieht sich mit großformatigen Prints konfrontiert, die sogleich Erinnerungen an die entsprechenden fotografischen Vorlagen aufkeimen lassen. Man erkennt Linien, die sich zum Teil zu bekannten Fotomotiven zusammensetzen, dann aber auch unvermittelt in ihrem Schwung abbrechen, um Leerstellen entstehen zu lassen, die durch Zahlen markiert werden. Intuitiv verbindet man mit den Augen die Zahlen und zieht Linien zwischen den Punkten, um so das Motiv schließlich zu vervollkommnen. Am Ende hat man gewissermaßen direkten Anteil an der Nachzeichnung von fotografischen Motiven, die mittlerweile Kultstatus erreicht haben und fester Bestandteil unserer bildbasierten Wirklichkeit geworden sind.

„Most Popular of All Time“ ist nicht eigentlich ein Fotoprojekt. Das gleichnamige Buch ist in Form eines Malbuchs für Kinder publiziert, allerdings herausgegeben für eine andere Zielgruppe und mit anderen Intentionen. Das Buch enthält die nach einer Online-Umfrage ausgewählten populärsten Fotografien der Fotogeschichte, allseits bekannte, vielfach publizierte und besprochene Ikonen der Fotokunst des 20. Jahrhunderts. Die abgebildeten Fotografien sind inzwischen so allgegenwärtig, dass es schwer ist, ihren Inhalt neu zu sehen.Sie haben sich längst entfernt vom Kontext ihrer ursprünglichen Entstehung, Bedeutung und Beurteilung. Mit derartigen, in unserem kollektiven Bild-gedächtnis archivierten Bildern, verdichten sich epochale Weltgeschehnisse, politische Wirklichkeiten, gesellschaftliche Dramen und menschheitsbewegende Epen auf dem engen Raum der Fotografie zu komprimierten, symbolhaften und inhaltsschweren Darstellungswelten, die universelle Aussagen über die menschliche Existenz an individuelle Schicksale und Situationen koppeln. Mit bildhaften Formeln heben sich derartige Fotografien ab von der überbordenden Fülle medial vermittelter Bilder und Zeichen.
(Quelle: Brad Feuerhelm)

Fotos: Stephan von Knobloch