Ausstellungsarchiv

On a clear Day? – Arbeiten im Raum

Christiane Rasch, Matthias Stuchtey, Elma Riza

Ausstellungsdauer: 29.01. – 05.03.2017

Einfachheit ist ein Zustand, der sich dadurch auszeichnet, dass nur wenige Faktoren zu seinem Entstehen oder Bestehen beitragen. Das Zusammenspiel dieser Faktoren kann häufig durch nur wenige Regeln beschrieben und visualisiert werden. Dann wird „Einfachheit“ zum Synonym für Minimalismus, Klarheit oder Simplizität („Weniger ist mehr“).

Einfachheit gilt als erstrebenswert, wenn mit wenigen Mitteln möglichst viel erreicht werden kann und taugt mittlerweile als trendiger Slogan („simplify your life“) für selbst ernannte Selbstmanagement-Gurus, die die vom Alltag überforderte Wohlstandsgesellschaft zur Ent-rümpelung, Ent-schleuni-gung und Ent-spannung aufrufen, um damit den Weg vom Äußerlichen zum Inneren, dem wahren und guten Selbst zu finden. „Echte Einfachheit“ meinte für Steve Jobs, den einstigen Apple-Mastermind, eine effiziente und produktgerechte Gestaltung des gesamten Firmenimperiums, vom Managementstil über das Design bis hin zur Werbung. Alles sollte auf echte Einfachheit hin zugeschnitten sein, ohne Schnörkel und Täuschungsmanöver, um ein bestimmtes Image zu kreieren. Das optische Erscheinungsbild eines technischen Produktes, das bereits durch seine Verpackung und äußere Hülle auf seine inneren – technischen – Qualitäten hindeutet. Die Reduktion auf wenige wesentliche Strukturen und Elemente als notwendige Strategie zur Visualisierung innerer Komplexität.

Einfachheit, verstanden als übergreifende Gestaltungsregel, erfordert in der Umsetzung ein Höchstmaß an Konzentration und Besinnung auf das Wesentliche, auf nur wenige Elemente, die in ihrer Kombination das Bewusstsein fokussieren und Anschauungsmodelle für komplexe Sachverhalte liefern. Der damit verfolgte Minimalismus verinnerlicht schließlich das Streben nach der Essenz der Dinge, nicht nach deren Aussehen.

Die Ausstellung „On a clear Day?“ visualisiert minimalistische künstlerische Vorgehensweisen in Bezug auf Konzepte, Materialien und Entscheidungen. Gezeigt werden unterschiedliche skulpturale Zugangsformen unter dem Aspekt der Einfachheit: Einfaches Material, das die Vorstellungskraft entzündet, eine einfache Handlung, eine simple Umsetzung oder ein einfaches Konzept, eine vermeintlich einfache Bedeutung, die sich an bestimmte Materialien, ihre Herkunft, Erscheinung und ihr Zusammenwirken knüpft.

Die Ausstellung verbindet dabei drei künstlerische Postionen, deren Spannweite von klassischem bildhauerischen Zugang und der Benutzung einfacher Materialien über ortsbezogene Interventionen bis hin zu perfomativ-installativen Eingriffen und dem Körper im Raum reicht.
Die Ausstellung setzt bewusst Akzente auf formal reduzierte Spielarten der gegenwärtigen Kunst. Sie versucht, die besondere Poesie und Assoziationskraft künstlerischer Ansätze herauszuarbeiten, die sich gegen den Trend des Lauten, der bewussten Übertreibung und Provokation und der gesellschaftskritischen Betroffenheit positionieren. Die ausgestellten Werke lenken die Aufmerksamkeit auf die Präsenz der Materialien im Raum. Zugleich thematisieren sie den künstlerischen Entstehungs- und Gestaltwerdungsprozess, der in allen Phasen sichtbar ist und für den Betrachter stets nachvollziehbar bleibt. Dabei scheint nichts für die Ewigkeit bestimmt. Vielmehr atmen die Arbeiten eine Ästhetik der Auflösung und beinhalten im Kern das Potenzial des Veränderlichen, des Vergehens und sich neu Bildens.

Die Ausstellung sucht die Stille der direkten Konfrontation zwischen Kunstwerk, Raum und Betrachter. Inszeniert wird dabei die Aufrichtigkeit der Materialien und des damit umgesetzten künstlerischen Entwurfs einer Weltanschauung, die sich aufmacht, sich inmitten dynamischer, unkontrollierbarer und gehetzter Alltagswirklichkeiten auf das Wesentliche zu besinnen.

Christiane Rasch

Geb. 1971, hat an der Kunstakademie Düsseldorf studiert. Ihre Skulpturen und raumbezogenen Arbeiten bestehen häufig aus verschiedenen Materialkombinationen und unterschiedlichen Oberflächen. Sie verwendet dabei in der Regel einfache Materialien, die z.B. auch auf Baustellen zum Einsatz kommen wie Holzplatten, Styropor oder Folie. Oft werden in die eher minimalistischen Flächen und Formen alte Fundstücke eingearbeitet, die durch feine Eingriffe mit Blattmetall oder Farbe verändert werden. Die Maße einer Arbeit legt sie im Verhältnis zu der eigenen Körpergröße und Augenhöhe fest. Ihre Skulpturen und ortsbezogenen Installationen leben durch die unterschiedlichen Materialien und der genauen Wahl von Proportionen und Farbgebungen. Parallel dazu arbeitet sie fotografisch mit s/w Fotoskizzen. Außerdem kombiniert sie erzählerische Fotos mit Skulpturen und Installationen.

Matthias Stuchtey

Zwischen Innenraum, Außenraum und Umraum
Manchmal sehnt man sich nach Kunst, die nicht so laut und aufdringlich ist, nach etwas, das einen nicht mit seiner aufgepumpten Zeitgeistartistik bedrängt, die aus jeder Leinwand-Ecke heraustropft wie der Schaum aus dem Giftsee, sondern einem Kunstwerk, das einen mit seiner konzentrierten Stille ansteckt, weil es so direkt, ungekünstelt und unwiderstehlich ist.
Matthias Stuchteys Werke gehören zu dieser Kategorie der Stille. Ihnen ist diese seltene ungeschützte Aufrichtigkeit und beiläufige Poesie eigen, die es sich nicht gestattet, den Betrachter mit irgendwelchem stilistischem Schmuckwerk oder dekorativen Pointen zu umschmeicheln. Dass seine Werke es auf den wenigen multiple veranlagten und ästhetisch verdichteten Behausungsquadratzentimetern meist zu einer melancholischen Größe schaffen, ist glänzend gemacht. Es ist eine Ästhetik, die ausgeht von vogelhausähnlichen Kästen, Behausungswaben und kleinarchitektonischen Ballungsformen, geboren aus kreativer Vernunft und einem Sinn für den eindrucksstarken Auftritt von Materialien.
Die Werke überraschen durch ihre auffällige, eigenwillige Gestaltung. Stuchtey macht das Schwere leicht, bindet Leichtes zu blockhaften Arrangements und verblüfft durch Unverwechselbarkeit. Er arbeitet mit Fundmaterialien (etwa mit Apfelsinenkisten, IKEA-Möbeln oder Milchkartons), deren Teile er auseinanderbaut, umarrangiert, neu zusammensetzt. Das ist mehr als billiges Recycling, denn es entsteht etwas völlig Neues, Anderes. Infolgedessen wäre wohl besser von „Upcycling“ zu sprechen. Materialinteressiertheit und Materialkenntnis erlauben es ihm, Werke von wohltuender Lebendigkeit und entlarvender Einfachheit zu schaffen. Dabei wäre eine Werkanalyse (selbst mit zunehmender Betrachtungsdauer) nicht mit Hilfe einer einzigen Kategorie durchzuführen. Vielmehr müssen plastisches und skulpturales Prinzip als zwei Seiten einer Medaille akzeptiert werden.
Ob man sie voneinander unterscheidet mit Oberbegriffen wie „Baukörper“ oder „Rohbauten“, die Arbeiten des vergangenen Jahrzehnts verblüffen durch ihre Stringenz, Knappheit und Präzision. Dabei wird deutlich, wie eng die konzeptionellen Überlegungen miteinander verknüpft sind. Es ist ein kreisendes Denken, aus dem heraus sich Werkreihen wie die „Trabanten“ (…) entwickeln. (…) Neugier und Spielverhalten kreisen um das, was sich hinter der Oberfläche der Dinge befindet. Das Auseinandernehmen und Zueinanderkommen der Einzelteile begleitet den Prozess des künstlerischen Zusichselbstkommens. Die Verbindungen der Elemente, die Cluster-Bildungen teilen uns etwas mit über die Verbindung zwischen Raum und menschlichen Lebensverhältnissen. So symbiotisch das Verhältnis von Künstler und Kunstwerk zu sein scheint, so entfremdet ist es zwischen den Menschen und ihrer Umwelt. Deshalb reflektiert Stuchtey das Verhältnis von Behausung, Unbehaustheit und Heimatlosigkeit, von Verunsicherung aufgrund des Verlusts von Gewissheiten, aber auch vom Lebensgefühl der Leere als Wohlstandsphänomen. Dem stellen sich seine mannigfaltigen Formagglomerationen in einer Art Suchbewegung entgegen.
Im umgekehrten Fall ist der Künstler aber auch ein Spezialist für Distanzierung und Separierung. Und er kennt sich aus mit der Einsamkeit. Freilich weiß er, dass man keineswegs allein sein muss, um sich einsam fühlen zu können. Ob der Künstler über das Eremitische, über Lebensscheu und Zurückgezogenheit nachdenkt oder über zivilisatorische Situationen, in denen es an Zuwendung mangelt, ist egal. Seine Werke strahlen das eine wie das andere gleichermaßen aus und sprechen auf eine dringlich objekthafte Weise von sozialer Dysfunktionalität.
Die Art der Elemente-Anordnung innerhalb der Werke unterstützt eine drehende Bewegung, die, wenn man so will, anläuft gegen eine Beschränkung des Denkens. Man könnte sie auch Reflexionssschleifen nennen, weil sie um die Wahrheit herumführen. Letzten Endes kreisen die Werke um die Frage, was wir von uns und unserer Existenz eigentlich wissen können. Wie man überhaupt erkennen kann, was ein menschliches Leben ist, wenn doch die Erinnerung an das, was war, so trügerisch ist. Die Arbeiten nehmen uns von Raum zu Raum mit hinein in einen Vorgang der Selbstbefragung, in dem sich das Bild, das wir uns von uns vor Augen führen, auf irritierende Weise in ein auf mehreren Ebenen addiertes Objekt verwandelt, das die Konturen unserer Existenz mal hierhin, mal dorthin dehnt, aber uns nicht wirklich befreit.
Die Nachfragen nach dem Verhältnis von Kunstwerk, Baukörper und Lebenssinn orientieren insofern auf das Architektonische als Erweiterung des Selbst. Stuchtey bietet etwas an, das in dieser Kombination in der Bildenden Kunst zunehmend selten anzutreffen ist: Das Verständnis von Architektur als einem komplexen Bild von Körperlichkeit. Der Stoff der rekapitulierten und projizierten Existenz als Teil und Ganzes, Innen und Außen, Geöffnetes und Abgeschlossenes, Heiteres und Tragisches ist für ihn das einzig greifbare und deshalb unangreifbare Material, das es in dieser verrückten Welt gibt, die immerzu neue Arten der Welt-Anschauung hervorbringt und nivelliert, ohne jemals genug davon zu bekommen.
(Text: Christoph Tannert)

Elma Riza

Elma Riza arbeitet mit verschiedenen künstlerischen Medien. Ihr Werk umfasst die Bereiche Video und Photographie ebenso wie interaktive und ephemere Installationen und Skulpturen. Mit der Gründung der interdisziplinären Plattform „Imprévu Berlin“ (2014) erweiterte sie ihr künstlerisches Aktionsfeld um den Bereich der Installation-Performance und arbeitete verstärkt mit bildenden Künstler*innen, Musiker*innen und Tänzer*innen an neuen Wahrnehmungsformen von Raum und Zeit als maßgebliche Grundkonstanten der menschlichen Existenz.

Elma Rizas Arbeiten sind überwiegend ortsspezifisch. Sie konzentriert sich auf die realen und imaginären, sichtbaren und unsichtbaren Räume. Mit der Schaffung neuer Räume an ausgewiesenen und kulturell besetzten Orten wie Galerien oder Studios, aber auch in öffentlichen und privaten Räumen werden die vertrauten Wahrnehmungsgewohnheiten des Raumes hinterfragt und im Hinblick auf ihre omnipräsente Relevanz auf die Probe gestellt. Mauern, Wände, architektonische Strukturen oder Landschaften werden so zu den tragenden Elementen und damit zur eigentlichen Substanz der künstlerischen Arbeit. Linien, Formen, Objekte und Körper erscheinen dabei als neue Zeichen im Raum, die in ihrem Zusammenwirken Anlass geben, die Wahrnehmung von Zwischen-, Leer- und Zeiträume zu sensibilisieren.

In Elma Rizas Performances wird der menschliche Körper zum Träger einer visuellen Komposition, die den Körper als vergängliche Skulptur erscheinen lässt. Ähnlich wie bei einer Fotografie scheint die Zeit in diesen Augenblicken plötzlich still zu stehen, so dass die Wahrnehmung des geschaffenen beziehungsweise des sichtbar gemachten Raumes verstärkt ins Bewusstsein rückt.
Die Installation-Skulpturen von Elma Riza sind interaktiv oder ephemer. Die Besucher sind eingeladen, die Installationen und Skulpturen neue zu organisieren und damit die Räumlichkeiten aktiv zu verändern und immer wieder neu – im erwachten Bewusstsein der eigenen Körperlichkeit – zu betrachten. Die Arbeit entsteht aus zusammengestellte Objekten, die eine bestimmte graphische Komposition erschaffen. Mauern und Boden, Fenstern sind die Anfangspunkte von jeder Skulptur, die durch die konkreten Bezüge zu vorhandenen Architekturen eine ortspezifische Unverwechselbarkeit und Einzigartigkeit bezieht.

II. Kooperation Universität Duisburg-Essen

Parallel zur Ausstellung im Kunsthaus Essen soll im Wintersemester 2016/2017 an der Universität Duisburg-Essen ein Kurs zum Thema „Arbeiten im Raum“ stattfinden, bei dem am Ende ausgewählte Ergebnisse im Kabinett des Kunsthauses gezeigt werden sollen.

Die Auseinandersetzung mit der angeschlagenen Thematik und ihren künstlerischen Umsetzungen soll auf verschiedenen Ebenen und ausgehend von verschiedenen Fragestellungen stattfinden: Wie kann ich EINFACH IM RAUM agieren? Wie kann man mit einfachen Mitteln skulptural arbeiten? Wie kann ich mit meinem Körper und einfachen Hilfsmitteln pervormativ auf den Raum reagieren? Wie beziehen sich unterschiedliche Künstler auf den Raum?
Die Arbeiten der 3 gezeigten Künstler*innen werden gemeinsam betrachtet, analysiert und diskutiert. Darüber hinaus ist ein Kurzworkshop mit der Künstlerin Elma Riza im Kunsthaus geplant. Für die Student*innen soll ferner die Möglichkeit bestehen, die in der Ausstellung vertetenen Künstlerinnen und Künstler bei der Einrichtung der Ausstellung zu begleiten und Gespräche über dramaturgische und inszenatorische Eingriffe zu führen. In Auseinandersetzung mit den gefassten Eindrücken sollen eigene Projektideen entwickelt und umgesetzt werden.

Fotos: Stephan von Knobloch

 

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