Ausstellungsarchiv

grassover

Brigitte Jurack

Ausstellungsdauer: 25.08.- 23.09.2001

Brigitte Juracks Installation vermittelt einen komplexen Reichtum an mythologischen, kulturgeschichtlichen, politischen und soziologischen Assoziationen. Zwei dachförmige, vollständig mit Lehm überzogene Gebilde scheinen fast vollständig in einem Lehmsumpf, der den Boden der Galerieräume bedeckt, zu versinken. Erinnerungen an eine einstmals blühende, nunmehr von toter Erde überzogene Industrieregion, an ein Katastrophengebiet biblischen Ausmaßes werden körperlich erfahrbar. Die Installation erhält eine spürbare Präsenz und Aktualität durch die motivische Anlehnung der Architekturfragmente an die charakteristische Bauweise der unmittelbaren Umgebung.
Brigitte Juracks Installation bemüht archaische Vorstellungsbilder ebenso wie mahnende Visionen einer von selbstverschuldeten Umweltschäden bedrohten Welt. Die architektonischen Hinterlassenschaften erzählen von der einstmaligen Vorherrschaft des Menschen gegenüber der Natur, von den Überresten einer Zivilisation, die sich aufgemacht hat, das ihr überlassene Terrain aufzugeben und es der Natur zu überantworten.

Die Ausstellung „grassover“ nimmt unmittelbaren Bezug auf das Umfeld des Kunsthauses: Die Begrünung ehemaliger Industriestandorte, das Überwachsen von Halden (Müll und Kohle) mit Gras, als ob eine grüne Decke über das Land gezogen wird. Gleichzeitig werden Themen angesprochen wie brownfield-greenfield-development (die Erschließung neuen Landes auf Altlasten), das Absinken des Bodens durch kollabierenden Untergrund und umgekehrt die Steigung des Wasserspiegels durch Überflutungen. Diese Themen werden spielerisch fragend aufgegriffen: In den beiden mit-einander verbundenen Galerieräumen befinden sich in den Boden versunkene Formen – im ersten Raum eine Dachkonstruktion, deren Architektur einem Haus der Gottfried-Wilhelm-Siedlung (1909) aus der unmittelbaren Umgebung des Kunsthauses entnommen ist, im zweiten Raum wiederholt sich diese Form in einem tiefer versunkenen Zustand. Der Fußboden sowie die plastischen Elemente werden völlig mit Lehm überzogen. Im dritten Raum sind Multiples kleiner, teils versunkener Häuser und Fotografien zu sehen.

Fotos: Petra Göbel, Brigitte Jurack