Ausstellungsarchiv

There will never be problems again

Axel Braun, Christian Odzuck, Sebastian Fritzsch, Daniela Friebel, Isabel Hernandez, Daniela Riesch

Ausstellungsdauer: 14.11.2010 – 10.01.2011

Titelgebend für diese Ausstellung war eine Information in einem Glückskeks. Der eingebackene Text behauptet keck, dass es in der Welt seines Besitzers von nun an keine Probleme mehr geben werde und sich damit alles zum Guten wende. Die Zukunft des Empfängers der Glücksbotschaft, vielleicht aber auch unsere eigene Zukunft wird in rosarotem Licht erstrahlen. Insbesondere für Künstler in dieser Zeit eine verheißungsvolle Perspektive!

Die Grundidee für diese Ausstellung bestand darin, mit Axel Braun, Sebastian Fritzsch und Isabel Hernandez drei der jüngeren Kunsthaus-Ateliermitglieder einzuladen, gemeinsam mit drei weiteren, selbst gewählten Künstlerkolleg*innen aktuelle Arbeiten vorzustellen. Auf der Basis dieser Idee bildeten sich somit drei Künstler*innenduos, deren Arbeiten thematisch wie formal unterschiedliche Tendenzen der Gegenwartskunst beleuchten.

 

Isabel Hernandez – Daniela Risch

Sowohl Isabel Hernandez als auch Daniela Rischs Arbeiten beschäftigen sich mit dem Blick auf die eigene Biographie, auf Episoden und Begebenheiten, die in ihrem Leben von individueller Bedeutung und Tragweite waren. In den gezeigten Filmen und Fotos werden Recherchen der eigenen Vergangenheit, werden Erinnerungen und vage vorhandene Assoziationen gelebter Erfahrungen andeutungshaft fixiert.
Bei Isabel Hernandez ist es der Großvater, der einer filmenden Person hinter der Kamera Handlungsanweisungen zum korrekten Gebrauch der Kamera gibt. Die Monitore stehen zueinander gedreht und bilden eine kommunikative Einheit.
Auf den Fotos von Daniela Risch erscheinen Bilder des elterlichen Hauses, des Gartens, der Straße. Wie in einem Archiv entblättert sich die Erinnerung Foto für Foto, Augenblick für Augenblick, um sich zu einem tief empfundenen Gefühl der zeitübergreifenden Teilhabe an der Vergangenheit zu verdichten.
Die Beschäftigung mit der eigenen Vergangenheit und längst verschüttet geglaubten Erinnerungen steht kulminiert in der Auseinandersetzung mit der Selbstwahrnehmung. „Was bleibt von einem selbst, wenn man einen Teil der eigenen, gelebten Vergangenheit zu verlieren droht?“ Die Bilder zeigen etwas, das einmal war, und nie wieder so sein wird. Sie lassen vergangene Augenblicke aufscheinen und erinnern an abwesende Subjekte. Sie stemmen sich gegen das Vergessen und sind doch selbst bereits Zeugen des Vergangenen, einer unaufhaltsam verrinnenden Zeit.

 

Axel Braun – Christian Odzuck

Axel Braun und Christian Odzuck haben für diese Ausstellung ein speziell auf den Ausstellungsraum hin zugeschnittenes Raummodul aus Betonfertigteilen entwickelt. Ihre minimalistische Setzung aus Bauelementen aus Beton balanciert an der Schnittstelle von benutzbarer Skulptur und Architektur. Die Architekturglieder sind kreisförmig angeordnet, laden den Betrachter zu Sitzen und kommunizieren ein, ohnen sich allerdings nur in dieser einen Bestimmung zu erschöpfen. Vielmehr dient die Installation als Verweis auf die zu beantwortende Frage, wie mit Architektur umzugehen ist, welche Funktionen Architektur insbesondere in urbanen Lebenssituationen erfüllen kann oder sollte.
Konkreter Anlass für diese Gemeinschaftsarbeit ist die Beschäftigung mit dem „Haus der Erwachsenenbildung“ in Essen, einem typischen 60er Jahre Bau mit entsprechendem Innenraumschmuckelementen in Gestalt eines monumentalen Wandreliefs mit charakteristischen Wabenarchitektur. Anhand dieses Reliefs werden 10 Anweisungen zum Umgang mit derartigen Baukörpern durchexerziert. Das Spektrum möglicher Nutzungen reicht von der Dekonstruktion und materiellen wie formalen Aufspaltung des gegebenen Baukörpers zur Konstruktion eines dezentral angeordneten Feldes über die Neukonstruktion eines Blocks aus den Grundformen des Reliefs bis hin zu Nutzung der Reliefteile als schmückende Applikation auf einer Hausfassade.
Der architektonisch gestaltete und strukturierte Raum wird von Axel Braun und Christian Odzuck als Grundkonstante und Bezugspunkt menschlicher Existenz wahrgenommen und im Hinblick auf seine Nutzbarkeit und möglichen Funktionserfüllungen zur Diskussion gestellt. Über einen bewussten Umgang mit Architektur gilt es, eine bedarfsorientierte Gestaltung menschlicher Lebensräume zu entwickeln und festzulegen.

 

Sebastian Fritzsch – Daniela Friebel

Einen ästhetischen Gegenpol zur beeindruckenden materiellen Präsenz der Arbeit von Axel Braun und Christian Odzuck markiert die Arbeit von Daniela Friebel, die einen kaum sichtbaren Eingriff in den vorgegebenen Ausstellungsraum vornimmt. Mit verspannten Fäden wird der Galerieraum neu strukturiert, ein im Raum schwebendes Bild des vorhandenen Galerieraumes Raums konstruiert, das damit zum Teil des unmittelbaren Betrachterraumes wird. Das Bild greift mit seinen Fluchtlinien und umschriebenen Flächen den vorhandenen Galerieraum auf. Von einem bestimmten Punkt aus betrachtet, bietet es eine zweidimensionale Darstellung des räumlichen Blicks und damit eine geometrisch-flächige Strukturierung des Sehens.
Ebenfalls mit der Illusion spielt Daniela Friebels „Vorhang“, der dem Betrachter die scheinbare Durchbrechung der real vorhandenen Wand mit einem weiteren, dahinter befindlichen Raum suggeriert. Einem eher medienreflexiven Ansatz folgend befragt die Künstlerin die Wirksamkeit von Fotografie, wenn diese ihre ursprüngliche materielle Erscheinungsweise aufgibt. Hier ist das Foto eines Vorhangs auf eine Tapete gedruckt, die wiederum auf die vorhandene Wand aufgebracht wurde. Die Fotografie verlässt damit ihren traditionellen Wirkungsspielraum und wird zum untrennbaren Bestandteil der vorhandenen Architektur.

Auch Sebastian Fritzsch spielt in gewisser Weise mit der besonderen Erwartungshaltung des Betrachters, der sich seinen schwarzgrundigen Fotografien nähert. Beleuchtet allein durch das Schlaglicht eines Scheinwerfers wird – wie bei einem Tatortfoto – der fotografierte Ort nur ausschnitthaft erkennbar. Ein ausgefahrener Weg mit Reifenspuren, Andeutungen einer kargen Vegetation sind in gelbliches Licht getaucht, während der Rest der gespenstischen Szenerie im Dunkeln bleibt oder bestenfalls in Schemen erkennbar ist. Die Bilder erzählen eine vermeintliche Geschichte. Deren Inhalt allerdings wird vom Kopf des Betrachters und seinem jeweiligen Imaginationsvermögen mit Leben gefüllt.
Andere Arbeiten wiederum fokussieren den Blick auf alltägliche Stadtansichten neu. Indem sich mit ihnen neue Perspektiven der Wahrnehmung formulieren, offenbahrt sich das Alltägliche und weithin Vertraute mit neuen, veränderten Wahrnehmungsqualitäten. Und wie manipulierbar sich das Vertraute letztendlich darstellen kann, bringt man die Realität aus ihrer gewohnten Achse, bezeugt die großformatige, starkkörnige Fotografie eines Flugzeuges, das kurioserweise nicht in waagerechter Flughaltung gezeigt wird, sondern entgegen der Erwartung und Kenntnis derartiger Situationen steil nach oben zu fliegen scheint. Der Titel des Bildes, „Sturm“, verheisst dabei nichts Gutes. Das einsam am endlosen Himmel gezeigte Flugzeug scheint seine stabile Fluglage verloren zu haben und führerlos zum Spielball gegensätzlicher physikalischer Gesetzmäßigkeiten zu werden, bevor die mögliche Katastrophe ihren Lauf nimmt. Fotograf und Betrachter werden zum Voyeur eines Ereignisses, dessen Verlauf mit der fotografischen Fixierung der Situation bereits Geschichte ist und der Vergangenheit gehört.

(Text: Uwe Schramm)

Fotos: Stephan von Knobloch