Ausstellungsarchiv

Schlaf

Alexander Braun

Ausstellungsdauer: 22.01. – 19.02.1999

Der Dortmunder Künstler Alexander Braun bespielt mit seiner Ausstellung „Schlaf“ die drei Räume des Essener Kunsthauses wie ein Choreograph, er schickt den Ausstellungsbesucher auf ein Reise ohne Ende und ohne Anfang. Im abgedunkelten Säulenraum sitzt eine Filzfigur in eine Decke gehüllt am Boden. Wie die Seerosen eines Teiches, liegen überall Filzkreise in unterschiedlichen Farben und Größen umher. Deckenstrahler werfen bunte Lichtkegel auf den Boden, die eine diffuse Stimmung erzeugen. Diese wird durch die zwischen kitschiger Sentimentalität und Melancholie pendelnde Musik der kanadischen Band „The Henrys“ unterstützt. Im nächsten ebenfalls abgedunkelten Raum ist großflächig eine Videoarbeit an die Wand projeziert, in der eine vermummte Figur (ein alter Bekannter aus Brauns Viedeoarbeiten) kopfstehend die Filzkreise des Säulenraumes in Brauns Atelierräumen umherrollt. Im letzten Galerieraum schließlich sind 12 Filzbilder vom Format 1x1m angebracht, auf denen Wortfetzen eine Art poetischen Kreislauf bilden. Die Bilder enthalten zusätzlich je 10 einer festen Komposition gehorchenden Kreise und sie sind abwechselnd spiegelbildlich gesetzt. Die Grundfarbe jedes einzelnen Bildes wird durch die Farbe eines Kreises des vorhergehenden Bildes bestimmt. So entsteht zusätzlich auch ein formaler Kreislauf.

 

MARABO: In Deinen Arbeiten und Installationen der letzten Jahre kommt wiederholt Schrift vor. Wie siehst Du das Verhältnis von Kunst und Wort?

Alexander Braun: Schrift und Wort sind mittlerweile ein integraler und akzeptierter Bestandteil der bildenden Kunst. Dafür haben Konzept-Künstler wie Joseph Kosuth oder Lawrence Weiner in den 60er Jahren gesorgt. Für meine eigene Arbeit stellt sich das als ein permanenter Prozeß des Abwägens dar: Wenn ich ein Element in einem Werk haben möchte, daß sich nur schwer bildlich darstellen läßt, dagegen in geschriebener Form sofort und unmißverständlicher präsent ist, dann ziehe ich den geschriebenen Begriff einer bildlichen Darstellung vor.

MARABO: Hat für Dich die Philosophie etwas in der Kunst zu suchen?

Braun: Kunst ist doch eine Variante der Philosophie: eine Philosophie mit anderen, nämlich bildnerischen Mitteln. Wenn diese berühmten „letzten Fragen“, die Fragen nach dem „Woher?“ und „Wohin?“ und dem „Warum?“ nicht in irgendeiner Weise im Zentrum stehen, dann ist es auch keine Kunst. Dann ist es pure Dekoration und Kunsthandwerk. Die Zeiten, in denen sich die Kunst bloß auf ihre inneren Gesetzmäßigkeiten konzentriert hat, die Form vor den Inhalt gestellt hat, sind doch definitiv vorbei.

MARABO: Du bist sehr vielfältig, was die Materialien und Techniken betrifft, derer Du Dich bedienst. Deine Installation in Essen beinhaltet sehr atmosphärische Passagen mit speziellem Licht und Musik, eine Videoprojektion, aber auch eher traditionelle Werke für die Wand aus Filz, die sehr arbeitsintensiv von Hand genäht worden sind. Wie geht das alles für Dich zusammen?

Braun: Das schließt daran an, worüber wir gerade gesprochen haben. Wenn Du Dein Interesse auf den Inhalt fokussierst, die Emotion, den Eindruck, den Du erzielen willst, dann ordnet sich das künstlerische Medium automatisch dem Thema unter: Das eine läßt sich am schnellsten und überzeugendsten per Video transportieren, für das andere eignet sich eher der langwierige Prozeß einer künstlerischen Handarbeit. Für mich sind das lediglich verschiedene Blickwinkel auf dasselbe Phänomen.

MARABO: In diesem Fall ist das der „Schlaf“?

Braun: Der „Schlaf“ ist nur eine Metapher. In der griechischen Mythologie sind Hypnos und Tanathos, der Schlaf und der Tod, Zwillingsbrüder, die Kinder der Göttin der Nacht. Das trifft es ziemlich gut. Auf der einen Seite ist der Schlaf eine unglaublich kreative, schöpferische Sphäre, wo die Ratio ihre Autorität verliert, auf der anderen Seite ist es ein Zustand, der dem Tod bereits sehr nahekommt.

MARABO: Ist es richtig, daß es eine Fortsetzung der Ausstellung im Sommer gibt?

Braun: Ja, im Mai. Ich bin von der Chinati-Foundation in Marfa, Texas, eingeladen worden, dort eine Ausstellung zu realisieren. Das liegt mitten in der texanischen Wüste, und die Ausstellung wird „Sleeping in the Sun“ heißen. Während hier in Essen dunkle, gedeckte Farbtöne vorherrschen, werde ich dort ausschließlich mit sehr blassen, gebleichten Pastelltönen arbeiten.

(Text und Interview von Sven Drühl)

Fotos: Ingrid Weidig, Petra Göbel