Stipendium Junge Kunst in Essen

SLAWOMIR ELSNER

7. Stipendiat des Stipendiums „Junge Kunst in Essen“, 2004/2005

Ein Rotary-Projekt im Kunsthaus Essen

Slawomir Elsner (geb. 1976 in Wodzislaw / Polen) präsentierte sich dem Essener Publikum mit melancholisch-subversiven Stadtlandschaften in Öl, Buntstiftzeichnungen von Kriegsbildern, die zwischen Schönheit und Entsetzen oszillieren und die mediale Vermittlung von Bildern reflektieren sowie fotografischen Serien, die Authentizität vortäuschen und auf den zweiten Blick neuen Dimensionen hinter dem Alltäglichen freilegen.

Der Ausstellungstitel „Rot Weiß“ ist mehrdeutig und erinnert einerseits an den  hiesigen Fußballverein, andererseits an die polnische Nationalflagge. Slawomir Elsner verknüpft thematisch beide Aspekte und zeigt gemalte Bilder mit Motiven aus Essen und aus Polen. Es sind überwiegend Häuser und Gegenstände, die von irgendwem bemalt bzw. speziell (meist ohne Absicht) verändert wurden. Das selbst fotografierte Motiv wird durch die Umsetzung in das Medium der Ölmalerei auf Leinwand aus dem Zusammenhang isoliert und verfremdet. Marodes trifft kompromisslos auf Beschönigendes.Außerdem werden großformatige Buntstiftzeichnungen nach Vorlagen von Atomtests aus den 1950er und 1960er Jahren zu sehen sein, auf denen die Farben etwas verblasst erscheinen, Vergangenheit suggerieren und die doch höchst aktuell sind. Titel wie „2 kilotons“ oder „37 kilotons“ bezeichnen lapidar die Stärke der verursachten Explosion und stehen in Kontrast zu der akribischen und kindlich-naiv anmutenden Buntstiftzeichnung. Die Bilder und Zeichnungen Elsners oszillieren zwischen Faszination und Grauen, Schönheit und Schrecken.

“My country” nennt Slawomir Elsner seine neue Serie von Buntstiftzeichnungen auf Papier. Im Titel „versteckt“ sich der Hinweis auf eine bekannte Zigarettenwerbung. Galoppieren in der Werbung Pferde vor der Folie eines traumhaft schönen Sonnenuntergangs, so scheint Elsner eher unter der Überschrift „Kein Rauch ohne Feuer“ zu arbeiten. Der Sonnenuntergang entpuppt sich in seinen Zeichnungen als Waldbrand. Die optischen Unterschiede sind minimal. Faszination und Grauen, Schrecken und Schönheit liegen nahezu untrennbar beieinander. Ein von Feuer erhellter Nachthimmel gibt ein gutes Motiv ab – ganz gleich ob ihn Feuerwerke, Bombendetonationen oder Waldbrände heraufbeschworen. Ähnlich wie in früheren Arbeiten greift Elsner nur geringfügig in die sogenannte Realität ein und generiert in seinem Spiel mit dem Feuer so grausam schöne wie schön grausame Bilder. Mit Buntstiften, die an friedliche Kinderstube gemahnen, strichelt er sie präzise und technisch perfekt hin. Das scheinbar Naive gerät in seiner doppelbödigen Sonnen- und Brandwelt einmal mehr zur Provokation.

In den Bildern auf Leinwand greift Slawomir Elsner nicht mehr auf bekannte Vorlagen aus Zeitschriften oder dem Internet zurück. Die alltägliche Verschränkung von sozialem Abriss und glacierten Werbewelten wird ihm zur Vorlage. Er verwendet selbst fotografierte Motive: Parkplatzschilder, die inmitten einer Wiese stehen, heruntergekommene, vom Zahn der Zeit benagte Häuser, denen neue grellfarbene Elemente, etwa ein frisch gestrichener Fensterrahmen, etwas Glanz verleihen, Gaststättenschilder, die in den Wald, statt ins nächste Dorf weisen. Bei der Umsetzung auf die Leinwand reißt Slawomir Elsner das Motiv aus dem vorgefundenen Zusammenhang und stellt es isoliert in die weiße Leinwand. Aus gesellschaftlichen Spannungen werden so optische Brüche. Kontrastreich lässt er die architektonischen Elemente aufeinander prallen, erhebt die maroden grauen, wie die simpel gelackten Flächen in den malerischen Adelsstand. Nur der Titel verweist schließlich noch eindeutig auf die Herkunft der Motive: Das polnische „Gościnna“ kann man mit „Die Gastfreundliche“ übersetzen. Und etwas Einladendes – so Elsner – sollte ein Ausstellung schon haben.“

(Text: Grit Dora, Galerie Gebr. Lehmann)